Wieviele Namen haben Sie?

Der Sulzer, Ausgabe 294, Oktober 2014, Seite ??

Liebe Leserinnen und Leser in und um Sulzbach,
viele Grüße aus Ihrem Partnerkreis Bassila in Benin, Westafrika. Haben Sie einen oder mehrere Namen? Und wissen Sie, wie Sie dazu gekommen sind?

Am Grenzübergang zwischen Togo und Benin wird immer mein Pass kontrolliert, und oft werde ich dabei gefragt, ob mein Mann mein großer Bruder ist. Warum? Na, weil wir den gleichen Nachnamen haben, natürlich! Hier in Benin ist es üblich, dass jeder bei der Hochzeit seinen Geburtsnamen behält und es keinen gemeinsamen Familiennamen für das Ehepaar gibt.

Namen sind hier ein sehr komplexes Thema. Es gibt Vornamen, Nachnamen, Familiennamen, Vatersnamen, Clannamen, Spitznamen und Titel. Am Vornamen kann man oft erkennen, ob jemand aus einer muslimischen oder christlichen Familie kommt, und am Nachnamen manchmal sogar auch, aus welcher Volksgruppe man stammt.

Hier bekommt jedes Kind nach der Geburt einen Vornamen, der von den Eltern ausgesucht wird, oder oft auch von Verwandten oder Bekannten. Wenn es keinen Familiennamen gibt, bekommt das Kind den Vornamen seines Vaters als Nachnamen. Und in vielen Familien gibt es zusätzlich einen Clannamen, der dem Vatersnamen noch vorangestellt wird. Üblicherweise werden der Clanname und der Vatersname ganz in Großbuchstaben geschrieben, um sie vom Vornamen zu unterscheiden. BABABODY MOUSSA Fousséni gehört zum Clan BABABODY, sein Vatersname ist Moussa, und sein Vorname Fousséni. Er kommt aus einer muslimischen Familie, und wahrscheinlich ist er ein Zwilling, denn Alassane und Fousséni sind typische Zwillingsnamen.

Zusätzlich gibt es noch traditionelle Namen, die aus der Geburtenfolge abgeleitet werden. Affo ist z.B. der Erstgeborene, Chabi der zweitgeborene Sohn. Gado ist ein Kind, der auf Zwillinge folgt, und Tanko der erste Sohn seiner Mutter, wenn sie bisher nur Töchter zur Welt brachte. Er bedeutet “ein Ehemann für die Frauen”, auch wenn er natürlich seine Schwestern nicht heiraten wird. Diese Namen stehen nicht im Pass, aber sie werden als Rufnamen in der Familie und im Bekanntenkreis viel verwendet.

Es gibt auch Vornamen, an denen man ablesen kann, an welchem Wochentag jemand geboren wurde. Danjuma wurde an einem Freitag geboren.

Oft trifft man Leute, die einem erklären, dass ihr richtiger Name nicht mit dem auf ihren Papieren übereinstimmt. Dafür gibt es sehr viele Gründe. Einer der häufigen ist, dass die Eltern Analphabeten waren, die Hebamme den Namen falsch verstanden und die Dokumente für die Geburtsurkunde dementsprechend falsch ausgefüllt hat. Das passierte typischerweise, wenn eine Hebamme aus einer anderen Volksgruppe stammte. Wo es wichtig wird, lassen Menschen auch noch nach vielen Jahren diese Fehler in ihren Papieren korrigieren.

Und wie kommt es, dass man Leute trifft, die z.B. Yaoundé (Hauptstadt von Kamerun), Agri, Bon Prix (Guter Preis), Saharabar, Mbobo (Name eines Baumes) oder Makoya genannt werden? Oft wird dein Beruf, eine Vorliebe oder der Name deines Ladens oder Unternehmens zu deinem Spitznamen, und dann zu einem echten Rufnamen, unter dem dich alle kennen und auf den du richtig stolz bist.

Herr SEIBOU Ayouba
Herr SEIBOU Ayouba, genannt Yaoundé

Herr Yaoundé war nie in Kamerun, sein Name kommt von einem beliebten Musikstil aus seiner Jugend. Herr Bon Prix heißt nach seinem Lebensmittelgeschäft. Der Besitzer vom Hotel-Restaurant Mbobo hatte sein Unternehmen nach einem sehr markanten Baum benannt, und nun ist dies zu seinem Eigennamen geworden. Herr Saharabar hatte vor vielen Jahren eine Kneipe, die Sahara-Bar. Selbst nach vielen Jahren im Ruhestand wird er von allen noch so genannt.

Herr Makoya hatte für seinen Baumarkt einen Namen aus den Anfangssilben seines eigenen Namens erfunden: MAMAM KOUTA Yaya. Auch er ist nun überall unter diesem Namen bekannt.

Baumarkt Makoya
Baumarkt Makoya

Und Herr Agri war von Beruf Bauern-Berater vom Agrikultur-Ministerium.

Herr AYAH GADO Amadou
Herr AYAH GADO Amadou, genannt Agri

Eine einzige Person trägt also oft viele verschiedene Namen, einen offiziellen, einen traditionellen und einen Spitznamen. Wenn man nun nach jemandem sucht oder fragt, muss man gut überlegen, unter welchem Namen die Person in diesem Kontext bekannt ist.

Aber wenn man genau hinschaut, ist es in Deutschland ja auch nicht anders. Sie werden doch auch je nach Kontext mit verschiedenen Namen angesprochen, oder?

Bis zum nächsten Mal!

Viele Grüße,
Stefanie Zaske

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