Strom an oder Strom aus?

Der Sulzer, Ausgabe 290, Juni 2014, Seite 21

Liebe Leserinnen und Leser in und um Sulzbach,
viele Grüße aus Ihrem Partnerkreis Bassila in Benin, Westafrika. Wann hatten Sie den letzten Stromausfall? Und wann gab es bei Ihnen das letzte Mal mehrere Tage lang keinen Strom?

Bassila hat seit 2004 Strom. Zuerst gab es einen Generator am Stadtrand, der den Ort versorgte. Dann wurde die Stromversorgung in der Region ausgebaut, und es wurden 150 km Kabel von Natitingou, der Hauptstadt des Départements im Norden, nach Bassila gelegt. Dort stand am Stadtrand ein großes Dieselkraftwerk, das den gesamten Nordwesten von Benin versorgte. Inzwischen wird ein regionales Stromnetz mit den Nachbarländern ausgebaut, in das mehrere Kraftwerke einspeisen, und immer mehr Dörfer werden an das Stromnetz angeschlossen. Das ist ein großer Fortschritt für die Lebensqualität im Alltag!

"Stromhäuschen" mit mehreren Zählern
“Stromhäuschen” mit mehreren Zählern

Endverbraucheranschlüsse (Zähler plus Hauptschalter) werden bis zu 40 m vom nächstgelegenen Pfosten der Stadtwerke angebracht. Wessen Haus weiter wegsteht, baut sich eigens ein kleines „Stromhäuschen“ und zieht von dort eigene Kabel bis zu sich nach Hause, oft mehrere Hundert Meter oder gar mehrere Kilometer, denn es ist noch längst nicht jeder Stadtteil von den Stadtwerken erschlossen. Diese Installationen sehen oft aus wie ein ganzes Spinnennetz. Die von Hand eingegrabenen dünnen Teakpfosten fallen immer mal um, oder manche Kabel hängen so tief über der Straße, dass ein Lastwagen oder hoch beladenes Taxi sie herunterreißen. Große LKW haben Azubis auf dem Dach sitzen, welche die Kabel vorsichtig anheben, wenn sie in ein Wohngebiet fahren müssen. Oft versorgt ein Stromzähler mehrere Häuser, und wer keinen Unter-Zähler hat, streitet sich schon auch mal mit den Nachbarn über die Stromrechnung. Weil die privaten Kabel kleine Querschnitte haben, kommt am Ende oft nur wenig Spannung an, sodass abends die Leuchtstoffröhren nicht starten oder die Glühbirnen nur ziemlich trübe leuchten.

Spinnennetz von privaten Stromkabeln
Spinnennetz von privaten Stromkabeln

Wenn der Angestellte der SBEE (Société Béninoise d’Énergie Électrique) die Stromrechnung bringt, klemmt er sie in die Klappe des Zählers und macht dort den Hauptschalter aus. Die Leute haben keine Briefkästen, und der Ableser kann nicht jedem Kabel bis zum Haus nachgehen. Wenn ein Haushalt Stromausfall hat und man trotzdem bei den Nachbarn Musik hört, geht man bis zum Zähler und der Abonnent findet seine Rechnung. Man bezahlt dann in bar im Büro der Stadtwerke. Inzwischen kann man dort täglich bezahlen, denn es gibt jetzt einen Kassierer hier vor Ort. Für viele Leute ist eine unerwartet hohe Stromrechnung ein ernstes Problem. Wenn man seine Rechnung nicht bezahlt, wird einem zügig der Strom abgeschaltet. Es gibt inzwischen auch Zähler mit Guthabenkarten, die man im Voraus auflädt, damit kann man sich nicht verschulden.

Die meisten Haushalte nutzen den Strom für Licht und Fernseher und laden ihre Handys auf. Manche nutzen Ventilatoren, vor allem nachts in der heißen Jahreszeit. Einige Läden und Verkäufer haben Kühlschränke oder Kühltruhen. In den Büros nutzt man Licht, Computer und zum Teil inzwischen auch Klimaanlagen.

Stromausfall kann viele Gründe haben. Hier in Bassila sind wir weiterhin am Ende der Stichstrecke aus dem Norden. Und jedes Mal, wenn es auf der langen Strecke ein Problem gibt, fällt bei uns der Strom aus. Z.B. bei Gewitter, manchmal nur für einige Minuten, manchmal für viele Stunden. Induzierte Spannung triggert oft die Sicherungen oder FI-Schutzschalter. Manchmal sind die Bäume zu dicht an der Hochspannungsleitung und der Wind löst Kurzschlüsse aus. Entwurzelte Bäume oder Buschfeuer können die Leitung beschädigen, oder Strompfosten werden von LKWs umgefahren. Manchmal gibt es durch Unwissenheit schwere Unfälle, und Blitzschlag ist auch keine Seltenheit. Bei Bauarbeiten oder wenn neue Dörfer angeschlossen werden, wird oft stunden- oder tagelang abgeschaltet. Oder ein Transformator ist beschädigt, und die Reparatur dauert mehrere Tage. Ersatzteile sind nicht immer schnell verfügbar.

Insgesamt gibt es nicht genug Kapazität, um das ganze Land zu versorgen. Deshalb gibt es immer wieder gezielte lokale Netzabschaltungen für ganze Tage oder Nächte, damit der Strom reihum für alle reicht. Das legt lokale Betriebe oder Büros regelmäßig lahm. Jeder Computer braucht eine USV (unterbrechungsfreie Stromversorgung). Bei uns im Büro haben wir immer auch einen großen Stapel Arbeiten, die ohne Strom zu machen sind. Man weiß nie im Voraus, ob der Strom nur für einige Minuten, mehrere Stunden oder gar mehrere Tage ausfallen wird, typisch sind ca. 20 Minuten. Wenn der Strom länger als einen Tag wegbleibt, sind fast alle Handys entladen und man kann nur noch sehr schlecht kommunizieren.

Jeder Haushalt hier hat entweder noch von früher seine Petroleumlampen oder neuerdings LED-Lampen mit aufladbaren Batterien, damit man nicht lange ganz im Dunkeln sitzt. Reichere Haushalte haben auch eigene Generatoren.

Ganz besonders effektvoll ist ein Stromausfall mitten in einem Fußballspiel, das im Fernsehen übertragen wird. Dann hört man im gesamten Ort einen kollektiven lauten Seufzer, und sobald der Strom wiederkommt, lauten Jubel.

Mal sehen, ob ich diesen Brief vor dem nächsten Stromausfall an Sie abgeschickt bekomme …

Bis zum nächsten Mal!

Viele Grüße,
Stefanie Zaske

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